Geduld mit den Finanzen

Mit der FDP tritt eine in der Gemeinde fest verankerte Partei zu den Wahlen vom 22. September an. Lyss sei wie eine Aktie, die an Wert noch gewinne, sagt der Parteipräsident.

von Ursula Grütter, Redaktorin Bieler Tagblatt, erschienen am 21.08.2013

Seit Jahren ist das Gemeindepräsidium von Lyss fest in der Hand der FDP. Und das wird zumindest für die kommende Legislatur auch so bleiben. Gegen Andreas Hegg – er ist seit vier Jahren in diesem Amt – mochte niemand antreten und somit ist er still gewählt. Auch im Parlament besetzt die FDP eine stattliche Zahl der Sitze. Im Moment sind es elf Parteimitglieder, die im GGR mitpolitisieren. Das hat ebenfalls Tradition. Die SP und die FDP halten sich als stärkste Parteien bei den Sitzen meistens die Waage, sowohl im Parlament als auch im Gemeinderat.

Für das Gespräch mit dem «Bieler Tagblatt» haben Stefan Nobs und Roman Eggimann als Partei- und als Fraktionspräsident den Platz vor dem Wasserrad gewählt. Ihre Begründung: Die FDP wolle etwas bewegen, Lyss vorwärts bringen. Doch die Beiden sagen auch, dass in Lyss vieles gut laufe und nicht verändert werden müsse. Etwas anderes aus dem Munde der FDP-Vertreter hätte auch komisch angemutet, prägt die Partei die Entwicklung von Lyss doch seit Jahren stark mit.

Ruhiger geworden sind die FDP-Parlamentarier in letzter Zeit, wenn es um die Finanzen von Lyss geht. Noch im letzten Jahr bombardierten sie den Gemeinderat mit Anträgen zur Überarbeitung des Budgets, dieses Jahr kamen nur wenige Vorstösse. Offenbar haben sie dem Gemeindepräsidenten und Parteikollegen geglaubt, als dieser sagte, die Zitrone sei nun wirklich ausgepresst.

Darauf angesprochen bestätigt Eggimann dies indirekt. Man müsse das ganze Finanzpaket mit Bedacht betrachten, findet er. «Panik ist fehl am Platz. Längerfristig wird sich die Lage beruhigen, davon bin ich überzeugt». Und Nobs ergänzt: «Wir sind stark gewachsen. Das hat Investitionen ausgelöst. Nach dem Bau der geplanten Siedlungen werden aber vermehrt Steuergelder in die Gemeindekasse fliessen.» Nobs vergleicht Lyss mit einer Aktie, die an Wert steigen werde. Jetzt müsse man vorab die nötige Geduld aufbringen und dort sparen, wo es Sinn mache, sind sich die Beiden einig.

Nein, keine Steuererhöhung

Und in der Zwischenzeit zusätzliche Einnahmen generieren? «Nein, es muss ohne Steuererhöhung gehen», kommt die prompte Antwort auf die entsprechende Nachfrage. In Sachen Steuern war man sich in der FDP in der Vergangenheit aber nicht immer so einig. So hatte sich Eggimann parteiintern gegen die letzte Steuersenkung gewehrt, Nobs war dafür gewesen. Der Gemeinderat hatte letztes Jahr in Anbetracht der finanziell angespannten Situation von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, per Dekret diese Steuersenkung wieder aufzuheben.

Spielraum, um an mehr Einnahmen zu kommen, sehen die beiden FDP-Vertreter auch anderswo kaum. Dem Verkauf der Seelandhalle, wie dies die EVP anregt, stehen sie skeptisch gegenüber. «Man muss das anschauen, ein saniertes Gebäude lässt sich eher verkaufen. Doch ich bezweifle, dass wir einen Käufer finden würden», findet Nobs. Für Eggimann spielt bei der Einschätzung noch etwas anderes eine Rolle: «Als Hockeyspieler ist dies für mich eine heikle Frage. Sowohl die Hockeyaner als auch die Curler zahlen ja Miete. Eine massive Erhöhung dieser Gebühren läge sicher nicht drin, das wäre kontraproduktiv für den Sportstandort Lyss». Das Schwimmbad und die Sportanlagen Grien seien ja auch defizitär und so betrachtet, müsste man dann auch diese Betriebe verkaufen, argumentiert Eggimann.

«Ich nenne es Kleinstadt»

Werden die Baupläne für die neuen Siedlungen in der Stigli-Spinsmatte sowie dem Kambly- und dem Gerberareal umgesetzt, wird Lyss weiter rasant wachsen. Das heisst für die Gemeinde nicht nur ein Zuwachs an Steuergeldern. «Wir sind uns bewusst, dass ein Mentalitätswechsel stattgefunden hat», sagt Nobs. Ein ländliches Dorf sei Lyss definitiv nicht mehr. «Stadt oder Dorf, ich nenne es Kleinstadt», fügt Eggimann an. Für ihn sei es noch das Dorf, indem er auf der Strasse und in den Restaurants viele Bekannte und Freunde treffe, für die Neuzuzüger sei Lyss aber wohl eher eine Stadt. Lyss dürfe nicht zur Schlafgemeinde werden, und diese Gefahr bestehe, so Eggimann.

Um dem vorzubeugen, muss die Gemeinde laut den beiden FDP-Vertretern Sorge zu den Vereinen tragen. Sie seien der Kitt, der Lyss zusammenhalte, im sportlichen und im kulturellen Bereich. «Wenn die Kultur aufgegeben wird, stirbt die Seele einer Gemeinschaft», ist Eggimann überzeugt.

Firmen sollen frei entscheiden

Die Schaffung von Arbeitsplätzen kann verhindern, dass ein Ort zur Schlafgemeinde wird. Lyss verkauft zurzeit das beste Industrieland. Nobs findet, dass dies der richtige Weg ist. Wo möglich solle die Gemeinde schon Einfluss nehmen und Land auch im Baurecht abgeben sowie auf den Zuwachs der Arbeitsplätze achten. «Doch es muss jeweils die beste Lösung für die Gemeinde und den Kaufinteressenten gefunden werden», sagt der Vertreter der Liberalen.

Knatsch im Rat

Mit der FDP tritt auch eine Partei zu den Wahlen an, deren Vertreter ihrem Gemeindepräsidenten nicht immer den Rücken stärkten. Dieser ortet ein schwindendes Vertrauen des GGR in den Gemeinderat und kritisiert die Art und Weise, wie diskutiert wird. Eggimann sagt, wieso zwischendurch auch Kritik von den FDP-Parlamentariern zu hören ist: «Manchmal stellt der Gemeinderat die Geschäfte zu wenig transparent vor. Da ist es unsere Pflicht zu intervenieren». Nobs wird nocht deutlicher: «Der Gemeinderat hat manchmal die Tendenz, das Parlament nicht so ernst zu nehmen. Das sieht man dann an oberflächlich präsentierten Geschäften».

Doch auch das Verhalten der Parlamentarier hinterfragen Nobs und Eggimann. Die zunehmend ruppiger geführten Diskussionen führt Nobs auf die gewachsene Parteienvielfalt zurück. Das erzeuge einen stärkeren Konkurrenzkampf. Man wolle sich profilieren und schiesse mit allen Rohren Richtung Gemeinderat. «Gewisse Leute haben das Gefühl, die Verwaltung könne man wie eine Firma führen und das funktioniert nun mal nicht», argumentiert Eggimann. Doch im Grossen und Ganzen nehme das Parlament seine Aufgabe durchaus verantwortungsvoll wahr.

In der nächsten Legislatur will die FDP sich für eine nachhaltige Entwicklung von Lyss einsetzen und Bestehendes stärken. Dabei zählt die Partei auf die Eigenverantwortung jedes Einzelnen.

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